Das Entsetzten war gross, als im Oktober 2017 bekannt wurde, dass der schwedische Konzern H&M neuwertige unverkaufte Kleidung verbrannt hatte. Auch wenn das Modehaus dies mit verschiedenen Ausflüchten zu begründen versuchte – die Kleidungsstücke seien mit Chemikalien verseucht gewesen –, bleibt fragwürdig, weshalb ein Textilhersteller Kleider produziert, die ungetragen in einer Verbrennungsanlage enden. Wie können solche extreme Ressourcen-Verschwendungen und die damit verbundene Umweltbelastung, welche die Fast-Fashion-Industrie verursacht, künftig verhindert werden?
Wo beginnt nachhaltige Produktion und wo endet sie? Ist ein Kleidungsstück noch nachhaltig, wenn die Baumwolle dafür von unbehandelten Pflanzen stammt, diese danach jedoch mit giftigen Chemikalien veredelt – also gebleicht, gefärbt, wasserfest ausgerüstet, etc. – wird? Welchen Preis dürfen nachhaltige Textilien haben? Wer kontrolliert die Produktionsverfahren? Und wer steckt dabei eigentlich wie viel Geld ein?
Die untenstehenden Artikel geben Antworten darauf – spinnen diese Fragen aber auch weiter und zeigen, dass Modekonsum eine Gratwanderung bleibt.
Das Gewissen ändert den Kaufentscheid nicht
Umfragen zeigen, dass ein Grossteil der Käufer den Näherinnen und Schneidern gerne einen Lebenskosten-deckenden Lohn bezahlen würden. Nur deckt sich dieser Wunsch nicht mit den Faktoren Preis, Funktion und Stil, welche den Kaufentscheid meist entscheidender lenken – und dies ist auch immer mehr Kunden bewusst.
Doch wie kann man diese kognitive Dissonanz für eine Wende in der Modeindustrie nutzen, fragt sich die Autorin Maya Singer und welche Grenzen der Nachhaltigkeit sind zu akzeptieren? Wie hätte sie der lieben Tante mit den schmerzenden Füssen etwa sagen sollen, dass die einzigen Schuhe, in denen sie noch gehen kann, unter höchst unethischen Umständen produziert wurden? (US Vogue)
Lässt sich ein gutes Gewissen kaufen?
Einfach nichts mehr zu konsumieren, dass klingt vielleicht plausibel, nach obigem Bericht, ist aber für die meisten nicht realistisch. Statt sich also heimlich in den nächsten H&M zu schleichen, sollte man sein Geld besser sparen und in Labels investieren, die versuchen ihre Stücke vom Rohmaterial bis zum Verkauf möglichst Ressourcen-schonen zu produzieren. Diese sind in der Regeln nicht nur hochwertiger, sondern auch zeitlos statt «trendy».
So etwa die Kleinstkollektion des Schweizer Labels Komana, gegründet und geführt von den Schwestern Livia und Nina Henne. Hergestellt (und vorher bedruckt) werden alle Stücke in einer Schneiderei im indischen Jaipur, welche die Schwestern regelmässig besuchen. (Ethical Hedonist Magazine)
Ihr findet die Stücke von Komana – sowie jene von zahlreichen anderen nachhaltigen Schweizer Labels – in den unten vorgestellten Zürcher Shops.
«Plötzlich hatte ich wieder mehr Zeit für Wesentliches»
«Weniger ist mehr», sagte sich auch die Schweizerin Zippora Marti. Für ihr Projekt «One» hat sie sich deshalb vorgenommen, ein Jahr lang das selbe Kleid zu tragen. Ja, richtig gelesen! Ein Jahr lang, das selbe Kleidungsstück – nur anders kombiniert.
Die Damenschneiderin machte dabei zwei unerwartete Erfahrungen: Sie sparte täglich viel mehr Zeit, als vermutet, und niemand bemerkte, dass sie jeden Tag das selbe Kleid trug! (Berner Zeitung)
Liebe zum Zweiten
Habt ihr schon mal vom Credo «reduce, reuse und recycle» gehört? Übers Reduzieren haben wir bereits gesprochen, deshalb bevor wir zum Recyceln übergehen noch zum Wiederverwerten. Und gleich das Beste zuerst: Das Angebot an Kleidung aus zweiter Hand war noch nie so gross wie heute und war auch noch nie so unkompliziert erhältlich.
Es gibt Läden für gebrauchte Designermode, traditionelle Vintage-Shops sowie Geschäfte, die auf erschwingliche Basics spezialisiert sind. Auch gibt es immer mehr Shops, die ihre Ware online vertreiben oder auf ihren Instagram-Accounts die besten Outfits zusammenstellen, damit man sich die Stücke gleich in der eigenen Garderobe vorstellen kann (z.B. The New New oder Marta Flohmarkt).
Wo hin mit den Schrankleichen?
«Aus den Augen aus dem Sinn» – wie es so schön heisst. Viele Leute machen sich nicht die Mühe ihre ungetragenen Kleidungsstücke und Accessoires in einen Secondhand-Shop zu bringen. Entweder, weil ihre Fehlkäufe ihnen peinlich sind oder aus gutem Grund: Sie wollen die Textilien spenden.
Nur so einfach ist es nicht. Alles was in der Schweiz etwa in einen Container von Texaid geworfen wird, gelangt nicht etwa an Hilfsbedürftige im Ausland. Nein, die besten Stücke – Markenartikel – werden herausgefischt und weiter verkauft – der Rest wird in Einzelteile zerlegt und recycelt. Das Unternehmen hat somit den Ruf erlangt sich unrechtmässig zu bereichern und zudem ausländische Textilmärkte etwa in Afrika zu zerstören. Das Unternehmen wehrt sich nun gegen diesen Image. (Annabelle)
Ist eine Besserung in Sicht?
«Die Textil-Trends von heute sind der Müll von morgen», resümiert Greenpeace in seinem aktuellsten Bericht zum Thema Fast Fashion. Da echtes Recycling kaum stattfinde sehen sie nur eine einzige Lösung für unser Müllproblem: Weniger ist Mehr.
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